Manchmal haben wir ein Problem, die sich unseren Änderungsversuchen sehr entzieht.
Wie finden wir heraus, was der Lösung im Wege steht? Was gibt es, was einem Teil von uns, unbewusst, so wichtig ist, dass das aktuelle Symptom/Problem weniger schlimm ist als das, wovor es schützen soll? Im Folgenden zwei Ansätze, uns selbst ein wenig zu hinterfragen und besser zu verstehen.
Fragen formulieren und innere Suchprozesse auslösen
- Wessen Gedenken beschäme ich, wenn ich das Symptom/Problem löse?
- Welche Sache verrate ich?
- Was könnte ich verlieren?
- Mit wem bin ich im Leiden solidarisch verbunden??
- Von wem entferne ich mich, wenn ich das Symptom/Problem löse?
- Welche Familiengeschichte widerlege ich?
- Was habe ich zuhause am wenigsten gelernt, wo ist der blinde Fleck, den ich sehen würde?
- Ist das Problem letzter Zeuge für ein schreckliches Geschehnis?
Sätze bilden und hineinfühlen, ob sie stimmen
Wenn ich meine Symptom/Problem jetzt loslasse…
- …betätige ich die Ansicht gewisser Menschen, dass es nie schlimm war.
- …bestätige ich die inneren Anteile in mir, die der Ansicht waren, es war nie schlimm.
- …wird der Teil in mir, der es für wichtig hielt, nicht mehr gewürdigt (und damit wird die ursprünglich positive Intention abgewertet).
- …habe ich Jahre oder Jahrzehnte meines Lebens sinnlos vergeudet im Problem (und das kann ich nicht ertragen).
- …gebe ich meine Platzhalter-/Erinnerungsfunktion auf, die ich für ein schlimmes Geschehen oder eine Person habe (und verrate damit dies).
Wir nehmen körperlich und seelisch wahr, wenn ein Satz richtig gut passt. („Das hat voll ins Schwarze getroffen!“) Und oft tut sie weh, diese neue Erkenntnis.
Gerade der Gedanke „…habe ich Jahre/Jahrzehnte meines Lebens sinnlos vergeudet im Problem“ erlebe ich als häufigen Hinderungsgrund für Änderungsprozesse. Es gibt es den Ausdruck „sunk costs“, versunkene Kosten, das heißt irreversible Kosten, die schon gezahlt sind. Eigentlich sind diese damit gar nicht mehr wichtig für eine Entscheidung für die Zukunft.
Ein Bekenntnis zu einer fehlerhaften Entscheidung ist für Menschen aber mit dem eigenen Selbstbild schwer vereinbar, und diese kognitive Dissonanz (Wikipedia) vermeiden wir gerne. Unser hoher Selbstwert ist ein wichtiges Grundbedürfnis und soll keinen Schaden tragen!
„Da Individuen nicht immer dem Rationalitätspostulat des Homo oeconomicus folgen, werden irreversible Kosten oft zum Anlass genommen, unrentable Aktivitäten weiter fortzusetzen, weil bereits so viel in diese Aktivitäten investiert wurde. […] Auf solches Verhalten bezieht sich die Redensart „gutes Geld schlechtem hinterherwerfen“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Versunkene_Kosten
In unserem Problem-Fall investieren wir weiter emotionales Leiden ins und Verharren im Problem, statt uns neu zu entscheiden und in eine hilfreichere Richtung weitergehen. Je mehr wir bisher schon investiert und dadurch verloren haben, desto größer ist unsere Neigung gegen eine Änderung. „Wenn dies alles nicht wahr ist, habe ich mich total lächerlich gemacht und mein Leben ruiniert – also muss es unbedingt für immer wahr sein!“ Leider benötigt dieses Ignorieren ganz schön viel Energie, und wir manövrieren uns dabei immer noch weiter in die Unlösbarkeit des Problems, weil die Lösung nicht sein darf.
Was hilft uns beim Auflösen dieser Gedanken, der Bindung ans Problem?
- Würdigen des eigenen Leids – ja, es war damals so schlimm, und es darf auch immer schlimm bleiben. Wenn es jetzt gelöst wird, dann auch in Würdigung des bisherigen Leidens.
- Uns das Trauern erlauben um die Zeit und Energie, die wir ins Problem hineingesteckt haben. Ggf. wöchentlich eine definierte Zeit lang aktiv trauern. Nicht das Gefühl unterdrücken, wenn es wichtig ist, sondern annehmen, ohne ihm zu verfallen.
- Uns selbst verzeihen, dass wir so gehandelt haben (und nicht anders). Uns selbst die Frage stellen „konnte ich nicht anders, oder wollte ich nicht anders, oder eine Mischung?“ – sehr oft ist es ein „ich konnte nicht anders“. Uns in jedem Fall verzeihen!
- Alles Positive wahrnehmen, was wir in unserem Leben mit diesem Problem gelernt haben. Was hätten wir ohne dieses Problem nicht erfahren, gelernt, uns beigebracht, versucht, erkundet?
- Realisieren, dass es oft sinnvoller ist, zum Erreichen einer Lösung zu stehen (z.B. als Vorbild für andere), als solidarisch im Leiden oder im Mangel zu bleiben (was niemandem wirklich hilft). Gerade, wenn wir selbst ein Problem gelöst und dadurch Kapazitäten an Energie/Geld/Zeit freigemacht haben, können wir andere Personen besser unterstützen.
Dies ist das Prinzip “Eigensicherung vor Fremdsicherung”: im Flugzeug erst die eigene Sauerstoffversorgung aufsetzen, dann die des Kindes. Nur wenn ich selbst „gesichert“ bin, kann ich andere sichern! - Vorwürfe an andere klären und loslassen. Erwartungen daran loslassen, dass andere Menschen das von uns Gewünschte tun, z.B. sich verändern, sich zu ihren Fehlern bekennen, ihre Schuld bekennen, sich entschuldigen.
- Akzeptieren, dass ein Loslassen von alten Mustern und anders entscheiden im Leben dazu führen könnte, die Bindung zu Personen und Freundeskreisen zu verlieren. Dies ist aber nicht automatisch so!
Es ist einfach, wenn es klar ist, aber es ist nicht immer leicht, all die beteiligten Aspekte aufzuspüren, wenn es ein sehr altes Thema ist.