Zum einen habe ich neulich die Arte-Dokumentation „Das Hirn ist, was es isst“ gesehen. Sie enthält viele interessante und wissenschaftlich geprüfte Informationen rund um Ernährung und Gehirn.

Viele Personen haben aktuell bei der Ernährung einen Fokus auf „ich werde vegan und rette die Welt.“ Das ist eine verständliche und aus Sicht der Massentierhaltungs- und Klimaproblematik eine sinnvolle Sicht.

Leider sehe ich um mich herum eine große Tendenz, „Junk Comfort Food“ wie Backwaren, Muffins, Kuchen, Eis in einer veganen (Bio-)Form zu essen.

Dem Blutzucker und dem Gehirn ist völlig egal, wie biologisch und ideologisch rein das gelieferte Kohlenhydrat ist – es bringt den Blutzucker hoch, und führt im Gehirn zu suchtähnlichem Verhalten und Veränderungen in den Aktionen der Gehirnzellen. Von vielen Forschenden wird Alzheimer bereits als „Diabetes Typ 3“ betrachtet, eine Spätfolge von dauerhaft zu hohem Blutzucker.

Von den drei Makronährstoffen Fett – Protein – Kohlenhydrate sind die Kohlenhydrate die einzigen nicht-essentiellen. Wir Menschen müssen KEIN Gramm Kohlenhydrat am Tag essen – die ca. 50-100 Gramm, die bestimmte Zellen im Körper benötigen, kann unser Körper selbst herstellen.

Dagegen gibt es essentielle Fette (auch das Fischöl Omega-3 gehört eigentlich dazu, sehr wichtig bei veg* lebenden Personen) und Aminosäuren (Proteinbausteine), die wir nicht selbst im Körper bilden können und deren Mangel sich negativ auswirkt. Ebenfalls zugeführt werden müssen Mineralien, Vitamine und Spurenelemente.

Wir leben in einer Welt im dauernden Kohlenhydratüberfluss – und vielen ist nicht bewusst, was alles überhaupt zu den Kohlenhydraten zählt und denken nur an reinen Zucker. Alle komplexen Kohlenhydrate z.B. auch aus Kartoffeln, Haferflocken, Müsli, Vollkornbrot, Vollkornnudeln werden am Ende ebenfalls zu Zucker verstoffwechselt. „Zuckerfreie“ Backrezepte mit Honig oder Agavensirup, Dinkelweizen mit Datteln oder Rosinen – all dies verstoffwechselt zu Zucker. Am besten noch ohne Ei, so dass auch noch das letzte bisschen Protein fehlt. (Schöne Grafiken hierzu: Sugar Equivalents von Dr. David Unwin.)

Kohlenhydrate sind ein guter Energielieferant, wenn wir Energie für den Sport benötigen. Glukose in den Muskelzellen kann auch nur von den Muskelzellen verbraucht werden, d.h. eine körperliche Anstrengung macht dort die Reserven leer und sie können neu aufgefüllt werden. Es sind nur 4 Gramm Glukose in unserem Blut, und 100-400 Gramm Glukose in unseren Muskeln gespeichert (Literatur). Alles, was wir über unseren Bedarf hinzuführen, muss von der Leber „eingefangen“ werden, da ein zu hoher Blutzucker schädlich ist. Brötchen haben auf 100 Gramm 50 Gramm Kohlenhydrate, das ist bereits die notwendige Mindestdosis an Kohlenhydraten für den Tag (die wir genauso gut selbst synthetisieren können).

Wenn wir den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, arbeiten unsere Muskeln quasi nicht. Der Energieverbrauch kommt vom Gehirn und den inneren Organen („basal metabolic rate“). Diese Rate kann berechnet werden und ist für eine inaktive körperlich weibliche Person bei 72 kg durchaus eine erstaunlich niedrige Zahl wie 1350 kcal/Tag.

Wer den ganzen Tag auf Kohlenhydraten läuft, bei dem sind Blutzucker und Insulin hoch und eins verbrennt in dieser Zeit auch nur Kohlenhydrate. Nur bei niedrigem Insulinstand kann vom Körper überhaupt auf die Fettreserven zugegriffen werden (sprechende Bilder dazu unter Two Compartment Metabolism). Wenn wir gleichzeitig Kohlenhydrate und Fette essen (eine übliche Kombi in hochverarbeiteten Lebensmitteln, aber auch in z.B. in Croissants), dann werden die Fette direkt in einem Speicherring am Bauch zwischengelagert und die Kohlenhydrate zuerst verbrannt. Wenn wir Alkohol dazu trinken, wird zuerst der Alkohol in der Leber verarbeitet, da er ein Zellgift ist – danach kommen Kohlenhydrate und weit dahinter Fett (wenn überhaupt… tendenziell sind wir dann schon wieder am nächsten Essen).

Der dauernd nur kohlenhydraterhaltende Körper beschwert sich zu Recht alle vier bis fünf Stunden, wenn keine neue kohlenhydratbasierte Nahrung nachgeschoben wird. Es ist ihm noch nicht möglich, auf die Fettreserven zuzugreifen, und es mangelt ihm daher tatsächlich an Brennstoff.

Außerdem gibt es das Phänomen, das im Englischen so schön „hangry“ heißt, die Kombination aus hungy (hungrig) und angry (wütend). Dieses Gefühl kommt zustande, wenn der Körper einen starken Abfall des Blutzuckers bemerkt. Dabei muss der Blutzzuckerspiegel selbst nicht niedrig sein, es ist eine Messung in der Flanke der Kurve! Ich habe selbst Blutzuckermessungen mit einem Freestyle Libre 2 an mir vorgenommen, und nichts hat mir so eine steile Kurve rauf und runter beschert wie der eingepackte Fertigkuchen eines namhaften deutschen Herstellers.

Wenn eins immer kohlenhydratbasiert isst, ist der Weg frei für eine dauernde Blutzucker-Achterbahn – solange es im Konsum noch Pausen gibt. Wer neben den angeblich extrem wichtigen drei Mahlzeiten am Tag dann noch jede Menge zwischendurch snackt (und ja, auch modernes Obst hat jede Menge Kohlenhydrate), der hat bald kaum ein Auf- und Ab, sondern einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel.

Einen Weg hinaus aus dieser Abhängigkeit gibt es über die zwei großen Schalter – weniger oder weniger oft Kohlenhydrate essen. Nur auf diesen Wegen lernt der Körper, mehr in die Fettverbrennung zu gehen. Bei sehr wenig Kohlenhydraten geht der Körper in die völlig natürliche Ketose und verbrennt Keto-Körper (ein sehr gutes Nahrungsmittel auch für die meisten Gehirnzellen).

Dazu habe ich diese Woche im Zuge einer Recherche einen empfehlenswerten Podcast zu Lipödem und Ketose von Sylvia Schnapperelle gehört:

https://www.derlipoedempodcast.de/episode/lipodem-ketogene-ernaehrung-intermittierendes-fasten/

Muss eins ketogen leben? Nein. Sollte eine inaktiv lebende, vielleicht auch schon übergewichtige Person weniger häufig und insgesamt weniger Kohlenhydrate essen? Ja. Der Blutzucker und das Gehirn werden es danken.